Psychiatrie
Demenz
Unter dem Begriff Demenz versteht man eine chronische bzw. fortschreitende Erkrankung des Gehirns, welche zunehmend zu Beeinträchtigung vieler Gehirnfunktionen (Gedächtnis, Lernfähigkeit, Urteilsvermögen, Orientierung…) führt. Demenz schleicht sich oftmals unbemerkt in den Alltag ein. Anfangs sind es nur Kleinigkeiten: Eine vergessene Verabredung, eine verlegte Brille, ein verlorener Schlüssel. Der Beginn der Erkrankung wird von Betroffenen und Angehörigen leicht übersehen, da kleinere Unsicherheiten in der Merkfähigkeit bei jedem Menschen gelegentlich vorkommen. Doch gerade eine frühe Diagnose ist für den weiteren Krankheitsverlauf sehr wichtig!
Demenz betrifft alle Schichten der Gesellschaft. Sie ist unabhängig von kultureller Zugehörigkeit, Geschlecht oder geographischer Lage. Die Gefahr an einer Demenz zu erkranken steigt mit dem Alter, auf Grund der zunehmenden Lebenserwartung nimmt somit auch die Zahl der Demenzkranken deutlich zu.
Erste Veränderungen hatte der Ehemann von Frau R. zunächst gar nicht richtig wahrgenommen. Bis ihre Kinder ihn darauf aufmerksam machten, dass etwas mit der Mutter „nicht stimmt“. Seine Frau tätigte Einkäufe, die sie bereits erledigt hatte. Einmal fand sie die Geldbörse im Geschäft nicht wieder und alarmierte die Polizei. Zuhause wartete Herr R. mit der vermeintlich gestohlenen Geldbörse. Frau R. zog sich immer mehr zurück, weil sie im Gespräch nach den richtigen Worten suchte. Die ganze Tragweite erkannte Herr R. schließlich, als seine Frau nach dem Besuch der Tochter fragte, wer denn dieses junge Mädchen gewesen sei (vgl. Kastner et al. 2010).
Man unterscheidet mehrere Formen der Demenz, denen verschiedene krankhafte Prozesse zugrunde liegen. Die Alzheimer-Demenz ist die häufigste Form, krankhafte Eiweißablagerungen (Amyloid-Plaques) im Gehirn sind charakteristisch für diese Demenzform. Gefäßveränderungen, die zu Schädigung der Hirnsubstanz und -funktion führen können, sind die Ursache der vaskulären Demenz. Weitere Demenzformen sind bspw. die Lewy-Body Demenz, die frontotemporale Demenz (“Morbus Pick“), die Demenz bei Morbus Parkinson oder die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit.
Der Krankheitsverlauf der verschiedenen Demenzformen ist unterschiedlich. Zu Beginn der Erkrankung ist häufig eine Verschlechterung des Gedächtnisses zu beobachten, Konzentrationsfähigkeit und Denkleistung lassen nach. In der Anfangsphase können sich zudem Symptome einer Depression zeigen, vor allem, wenn der Erkrankte die Abbauerscheinungen an sich bemerkt. Betroffene haben Schwierigkeiten, neue gedankliche Inhalte aufzunehmen und wiederzugeben, beeinträchtigt sind auch die Orientierung und die Urteilsfähigkeit, was vom Patienten oft nicht registriert wird. Auch Teile der Persönlichkeit gehen verloren: Die Betroffenen können aggressiv oder enthemmt, depressiv oder in ihrer Stimmung wechselhaft werden. Im weiteren Verlauf lassen sich Sprachstörungen beobachten, die Müdigkeit kann zunehmen. Später können auch Halluzinationen auftreten: Die Erkrankten sehen Dinge, die in der Wirklichkeit nicht existieren. Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung fällt es den Demenzkranken schwer, Dinge und Personen wiederzuerkennen, Alltagstätigkeiten wie Waschen, Ankleiden, Essenszubereitung oder Einkaufen gelingen nur eingeschränkt und im weiteren Verlauf meist gar nicht mehr. Im Endstadium verstummen die Patienten oft, sind bettlägerig und gänzlich auf die Hilfe anderer angewiesen. Für Angehörige und Pfleger ist dies oft mit erheblichen psychischen Belastungen verbunden.
Obwohl die Anzahl der an Demenz erkrankten Menschen deutlich zugenommen hat, wird die Erkrankung nicht nur oft bagatellisiert, sondern aus Scham – auch von den Angehörigen und vom sozialen Umfeld – tabuisiert. Aus diesen Gründen unterbleibt daher nicht selten der notwendige Gang zum Facharzt. Man geht davon aus, dass weit über die Hälfte der Demenzerkrankten nicht adäquat diagnostiziert werden, dabei wäre eine frühzeitige Diagnose und ein entsprechend rechtzeitiger Beginn einer Therapie von großer Bedeutung, um den Krankheitsverlauf dieser grundsätzlich nicht heilbaren Krankheit positiv zu beeinflussen.